EINBLICKE IN DIE PRAXIS

Familiengrundschulzentren in Bottrop: Herausforderungen und Lösungsansätze im Spannungsfeld von Haushaltssicherung und Bildungsauftrag

Nicole Gottemeier, Leiterin des Regionalen Bildungsbüros in Bottrop, erläutert im Interview die Auswirkungen der Haushaltssicherung auf die Familiengrundschulzentren. Sie betont die Bedeutung von Beständigkeit und langfristiger Finanzierung, um die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Schule und Familien auch in Zukunft sicherzustellen.

Wie würden Sie die Ausgangslage in Ihrer Kommune, insbesondere mit Blick auf die Familiengrundschulzentren, beschreiben?

Nicole Gottemeier: Unsere Kommune ist stolz darauf, dass wir 2021 innerhalb von nur einem Monat sowohl den politischen Beschluss als auch die Schulbeschlüsse für die Entwicklung von vier Grundschulen zu Familiengrundschulzentren (FGZ) erhalten haben. Dadurch konnten die FGZ noch im selben Jahr starten. Die Personalausstattung erfolgte schnell, und der Prozess begann. Natürlich braucht es Zeit, bis Vertrauen aufgebaut wird, aber wir sind nun fast vier Jahre dabei.

Ein großer Einschnitt kam im April 2024 als Bottrop zur Haushaltssicherungskommune wurde. Das führte zu starken Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen, auch im Bildungsbereich. Trotz personeller Einbußen im regionalen Bildungsbüro freut es uns, dass die FGZ von der Stadt und der Politik als Erfolgsmodell anerkannt wurden. Sie sind inzwischen nicht mehr aus den Stadtteilen wegzudenken. Auch mit einer 20-prozentigen Eigenfinanzierung und Overheadkosten bleiben die FGZ als freiwilliges Projekt erhalten. Das zeigt, dass die letzten drei Jahre erfolgreich waren und der Ansatz, Familien im Bildungsprozess zu unterstützen, wichtig und richtig ist.

Welche Effekte beobachten Sie durch die Familiengrundschulzentren?

Gottemeier: Es ist schwierig, messbare Indikatoren zu finden, da nicht jeder wenig besuchte Kurs schlecht ist – auch geringe Teilnahme kann eine positive Wirkung haben. Wir beobachten jedoch deutlich mehr Angebote und Maßnahmen für Familien an Schulen sowie einen intensiveren Austausch zwischen Eltern und Bildungsakteuren wie Lehrkräften, dem multiprofessionellen Team und dem Offenen Ganztag. Die Öffnung der Schulen in den Sozialraum hat zu mehr Engagement geführt. Eltern beteiligen sich verstärkt an der Schularbeit, was auch ihre Fähigkeit stärkt, ihre Kinder zu Hause besser zu unterstützen.

Wie gestaltet sich die Arbeit unter den Bedingungen der Haushaltssicherung und mit einer engeren Personaldecke?

Gottemeier: Die Personalressourcen im Bildungsbüro wurden stark reduziert. Der Bereich Übergang Schule-Beruf wurde von dreieinhalb Stellen auf eine halbe Stelle gekürzt, was die Netzwerkarbeit stark einschränkt. Wir mussten prüfen, welche Pflichtaufgaben weiterhin erfüllt werden können und welche freiwilligen Aufgaben auf Dritte übertragen oder gestrichen werden müssen. Die Kommunikation mit den Schulen ist dadurch stärker belastet worden. Auch unser weiteres Projekt „Bildungskommune“ wird 2027 eingestellt, und eine Kollegin hat, verständlicherweise, eine andere Stellenperspektive wahrgenommen. Die Aufgaben der Bildungskommune wurden ebenfalls gekürzt, sodass wir uns nur noch auf den Hauptfaktor Transparenz konzentrieren können, etwa durch die Etablierung von Bildungsportalen. Insgesamt arbeiten wir fokussierter in Arbeitsgruppen, die mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Was bedeutet die Haushaltssicherung für das Team im Bildungsbüro?

Gottemeier: Die Kürzungen haben zu einem Gefühl der Unsicherheit und einer Veränderung in der Wertschätzung geführt. Die Arbeit in den FGZ wird zwar sehr geschätzt, doch viele andere Aufgaben sind weggefallen. Das hinterlässt bei den Mitarbeitenden Zweifel, ob ihre Arbeit wahrgenommen wird. Zudem herrscht Unsicherheit darüber, ob weitere Kürzungen folgen, was vor allem die Kollegen und Kolleginnen in den FGZ betrifft, die sich fragen, ob sie als Nächste betroffen sind. Langfristig benötigen die FGZ eine nachhaltige Finanzierung, um ihre Wirkung zu verstetigen. Wünschenswert ist auch eine zeitnahe Mittelbereitstellung. Leider verzögern sich die Mittelbereitstellungen aufgrund verspäteter Landeshaushaltsbeschlüsse um bis zu drei Monate, was die Planung erschwert.

„Langfristig benötigen die FGZ eine nachhaltige Finanzierung, um ihre Wirkung zu verstetigen.“

Nicole Gottemeier

Welche Lösungswege haben Sie entwickelt, um mit dieser angespannten Situation bestmöglich umzugehen?

Gottemeier: Der Lösungsweg ist nicht einfach, da Kürzungen im Bildungsbereich meiner Meinung nach der falsche Schritt sind. Wir müssen jedoch mit knappen Ressourcen auskommen. Glücklicherweise habe ich ein sehr engagiertes Team, das trotz der schwierigen Situation nicht den Kopf in den Sand gesteckt hat. Wir haben gemeinsam nach Wegen gesucht, wie wir mit den bestehenden Ressourcen mehr erreichen können. In Bottrop profitieren wir von kurzen Wegen und einer starken Vernetzung zwischen allen relevanten Akteuren. Wir als Bildungsbüro, in dem auch die FGZ angesiedelt sind, spielen eine zentrale Rolle in dieser Vernetzung. Durch diese gute Zusammenarbeit können wir mit den vorhandenen Ressourcen das Beste erreichen. Ein wichtiges Ziel ist, die Familie als Bildungspartner zu stärken. Auch wenn unsere Lösungen manchmal länger brauchen als mit mehr Personal, können wir dennoch nachhaltig wirken, indem wir Herausforderungen pragmatisch und zielgerichtet angehen. Wir haben einen sehr guten Austausch mit den FGZ und können schnell auf Ressourcen der Kommune zugreifen, zum Beispiel, wenn Sprachmittler benötigt werden.

Was wünschen Sie sich für die zukünftige Arbeit, besonders im Hinblick auf die geringere Personalausstattung?

Gottemeier: Was wir wirklich brauchen, ist Beständigkeit. Wir benötigen keine Projektförderungen mit befristeten Verträgen, da diese das Personal verunsichern und keine langfristige Stabilität ermöglichen. Eine gute, unbefristete personelle Ausstattung ist entscheidend, um Planungssicherheit zu haben und wirksam arbeiten zu können. In einer Kommune in Haushaltssicherung ist es wichtig, dass das Personal nicht ständig auf unsicheren Förderzeiträumen sitzt. Bildungsgerechtigkeit erfordert langfristige Arbeit, und dafür sind konstante Ressourcen nötig.

Die Bildungsbüros profitieren von der Kombination aus kommunalen und Landesmitarbeitern, die unterschiedliche Perspektiven einbringen – sowohl pädagogisch als auch strategisch. Diese Teams ergänzen sich gut. Darüber hinaus benötigen die FGZ mehr finanzielle Mittel, da die Anforderungen an das Personal steigen, ohne dass die Gehälter angepasst wurden. Auch die Übernahme von Overheadkosten wäre hilfreich, da diese in Haushaltssicherungskommunen besonders schwierig zu tragen sind.

Was wäre das Worst-Case-Szenario, wenn die Haushaltssicherung bleibt und weiter gekürzt werden muss, insbesondere in Bezug auf die Familiengrundschulzentren?

Gottemeier: Es gibt mehrere Worst-Case-Szenarien. Eines wäre, dass die FGZ nicht mehr durch Förderrichtlinien des Landes gefördert werden würden, obwohl der Mehrwert anerkannt wird. Ein weiteres Szenario wäre, dass wir die geplanten Einsparungen nicht erreichen und die Politik entscheidet, die Eigenbeteiligung und Overheadkosten der FGZ nicht weiter zu tragen. Auch ein Mangel an qualifiziertem Personal könnte ein Problem sein, da die Befristung der Fördermittel viele potenzielle Mitarbeitende abschreckt, die auf langfristige Sicherheit angewiesen sind. Ohne Verstetigung könnte gutes Personal verloren gehen.

WEITERE INFORMATIONEN

Text: Marisa Klasen und Sebastian Schardt, Wübben Stiftung Bildung
Foto: © Wübben Stiftung Bildung / Peter Gwiazda, Nicole Gottemeier
Kommune: Bottrop
Website: https://www.bottrop.de/jugend-und-schule/regionales-bildungsbuero/familiengrundschulzentren/index.php