EINBLICKE IN DIE PRAXIS

Praxistipp: Kooperation mit einer Volkshochschule am Beispiel einer iPad-Schulung für Eltern

Wenn sich eine Grundschule zu einem Familiengrundschulzentrum (FGZ) entwickelt, liegt eines der Hauptziele darin, dass sich die Schule in den Sozialraum öffnet und für Familien zum Knotenpunkt im Stadtteil wird. Das bedeutet u.a., dass Angebote, die vorher an unterschiedlichen Orten im Stadtteil stattgefunden haben, in der Schule angeboten werden. Ein gelingendes Beispiel hierfür durften wir bei einem Angebot der Volkshochschule Bottrop (VHS) an einer Grundschule in Bottrop erleben und haben erfahren, was für diese Zusammenarbeit notwendig ist.

Genese und Ansatz

Bei der Kooperation zwischen FGZ, Bildungsbüro, VHS Bottrop und Netzwerkkoordination der kommunalen Präventionskette handelt es sich um eine iPad-Schulung für Eltern mit dem Titel „iPads in der Schule – Fitte Eltern, fitte Kinder“, die in den Räumen von Grundschulen in Bottrop stattfindet. Begonnen hat die Kooperation mit einer Anfrage von Seiten der Politik an die VHS. Aufgrund der Corona-Pandemie sollten die Schulen in Bottrop flächendeckend mit iPads ausgestattet werden. Die Frage war nun, wie Eltern in den Prozess eingebunden werden könnten und wer in der Lage wäre, eine Schulung für Eltern anzubieten. Eltern bringen unterschiedliche Medienkompetenzen mit und nicht alle Eltern können ihre Kinder zuhause unterstützen. Gerade im Grundschulalter ist das aber oft notwendig. Nach vielen Gesprächen mit unterschiedlichen Akteuren war Tanja Steinhaus, stellvertretende Direktorin der VHS Bottrop zudem klar, dass nur Lehrkräfte in der Lage sind, die Schulung durchzuführen. Denn auf den Geräten sind schulbezogene Apps vorinstalliert, die täglich von Lehrkräften genutzt und mit Inhalt gefüllt werden. Im Austausch mit dem Regionalen Bildungsbüro Bottrop hat sich ergänzend gezeigt, dass die Rheinbabenschule mit zwei etablierten iPad-Klassen schon weit in der Nutzung von iPads im Unterricht fortgeschritten ist und sich zudem derzeit zu einem FGZ entwickelt. Diese Chance wollten VHS und Bildungsbüro nutzen. Nicole Gottemeier, Leiterin des Regionalen Bildungsbüros in Bottrop, berichtet: „Zeitgleich mit der Anfrage der VHS hat sich in unserem Bildungsbüro eine neue Perspektive auf die Familien entwickelt. Früher war alles kinder- und lehrkräftegeprägt. Die Pandemie hat aber noch mehr gezeigt, wie wichtig Eltern als Bildungspartner ihrer Kinder sind.“ Der Grundstein für die Kooperation zwischen VHS, Bildungsbüro und FGZ war gelegt.

Struktur und Aufgaben der Kooperationspartner

An der Rheinbabenschule hat zunächst im Herbst 2021 die Pilotphase des Projekts stattgefunden. In dieser Phase wurden den Eltern drei Schulungstermine in den Räumen der Grundschule angeboten.

VHS: Die VHS Bottrop hat gemeinsam mit den Dozentinnen und Dozenten das Grundgerüst der Schulung konzipiert, Kinderbetreuung organisiert, die Evaluation des Pilotprojektes und die finanzielle Abwicklung übernommen. Fabian Ratay, Lehrer an der Sekundarschule Kirchhellen in Bottrop, ist einer der Lehrkräfte, die als Dozenten fungieren. Bevor die Schulung an einer Schule stattfindet, schaut Ratay, mit welchen Lernplattformen und Apps vor Ort gearbeitet wird. Diese Vorarbeit ist wesentlich für das Gelingen der Schulung, denn nur so können sich die Eltern mit den unterrichtlichen Inhalten ihrer Kinder auseinandersetzen. „Jede Schule, jede Lehrkraft nutzt andere Apps. In ganz Bottrop sind es vermutlich 200 verschiedene“, so Ratay. Auch Ôzge Göcek gehört zu dem Team der Lehrkräfte, die Schulungen anbieten und ist Konrektorin der Rheinbabenschule: „Wir beobachten, dass auch die Eltern, die nicht die deutsche Sprache sprechen, sehr viel mitnehmen. Sie sind nicht unbedingt bildungsfern und wollen ihre Kinder unterstützen. Das beeindruckt mich sehr.“ Die Schulung ist interaktiv und die Eltern entdecken die iPads aus Sicht ihrer Kinder.

FGZ: Die Grundschule stellt die Räumlichkeiten. Die Leiterin vom FGZ, Norma Sandmann, ist zudem verantwortlich für die Kommunikation mit den Eltern und hat dafür viele Wege genutzt: Flyer, Aushänge, Elternbriefe in mehreren Sprachen und das Herstellen von vielen Gesprächsanlässen in und um Schule zum persönlichen Beziehungsaufbau.

Bildungsbüro: Das Bildungsbüro stellt den Kontakt zu den Grundschulen in Bottrop her, die grundsätzlich für das Angebot in Frage kommen und ist informativer Ansprechpartner für die Schulen. Hierfür entwickelte das Bildungsbüro in Zusammenarbeit mit der VHS zu Beginn einen Flyer, um Schulen und dann auch Eltern auf das Angebot aufmerksam zu machen. Darüber hinaus koordiniert das Bildungsbüro den zeitlichen Rahmen der Eingangsphase des Angebots.  Sobald die teilnehmenden Schulen und der zeitliche Ablauf feststehen, übernehmen die VHS und die Schule die operative Umsetzung der Schulung. Aufgaben wie beispielsweise die Einstellung der Honorarkräfte (VHS) oder die Kommunikation mit den Eltern (FGZ) liegen mit Beginn der Umsetzung dann bei VHS und FGZ.

Kommunale Präventionsketten: Die Pilotphase, die 3 Schulungstermine im Herbst 2021 an der Rheinbabenschule umfasste, wurde über die Kommunalen Präventionsketten finanziert. Diese wird wiederum über die Förderrichtlinie „kinderstark – NRW schafft Chancen“ des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert wird. Gleichzeitig wurde in der Pilotphase über „kinderstark“ eine parallele Kinderbetreuung angeboten. Für diese konnte in unmittelbarer Nähe der Rheinbabenschule der Familienort an der Bügelstraße gewonnen werden.

Herausforderungen und Lösungen

Akquise der Eltern: FGZ-Leitung Norma Sandmann hat durch die intensive Kommunikation mit den Eltern gemerkt, dass vor allem Eltern mit nicht ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen sich nicht trauten, an der Schulung teilzunehmen. Die Eltern hatten die Befürchtung, der Schulung nicht folgen zu können. Sandmann hat versucht diese Ängste zu nehmen, indem sie jedem Teilnehmenden zusagte, eine weitere Person zur Unterstützung mitnehmen zu können und sie machte in vielen Gesprächen immer wieder auf den Mehrwert der Schulung deutlich: „Es ist wichtig zu bestärken, wo der Nutzen für die Eltern liegt und dass die Kinder nicht nur in der Grundschule, sondern auch in der weiterführenden Schule davon profitieren.“

Finanzierung: Es war lange Zeit nicht klar, wie das Vorhaben finanziert werden könnte. Tanja Steinhaus von der VHS Bottrop hat diverse Möglichkeiten geprüft. Auch dem Bildungsbüro Bottrop stand zum Zeitpunkt des Pilotprojekts kein Budget zur Verfügung. Die Koordinatorin der Kommunalen Präventionskette in Bottrop, Kerstin Stiewe, ist auf die Kooperation aufmerksam geworden und hat erkannt, dass das Projekt sowohl den Familien als auch dem Quartier zur Hilfe kommt. So wurde das Pilotprojekt über die Förderrichtlinie „kinderstark“ über das Jugendamt finanziert; für die Ausweitung auf weitere Schulen standen Mittel aus dem „Aufholen nach Corona“- Programm über das Schulverwaltungsamt zur Verfügung, die wiederum über das Bildungsbüro abgerufen werden konnten. Zudem wurden Absprachen durch kurze Wege begünstigt, da die Koordinatorin der Kommunalen Präventionskette im gleichen Gebäude wie das Bildungsbüro verortet ist.

„Es ist wichtig zu bestärken, wo der Nutzen für die Eltern liegt und dass die Kinder nicht nur in der Grundschule, sondern auch in der weiterführenden Schule davon profitieren.“

Norma Sandmann

Resonanz

Jeweils im Anschluss an die drei Schulungen in der Pilotphase haben 95 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Evaluationsbogen ausgefüllt. Ihre Zufriedenheit war sehr hoch und sie haben viele weitere Themen benannt, die sie ebenfalls stark interessieren und in denen sie sich weiterbilden möchten: Cyber-Mobbing, Social Media, das erste Handy der Kinder und viele mehr. Es wird derzeit geprüft, wie diese Bedarfe aufgegriffen werden können. Im Schnitt melden sich 15 bis 20 Elternteile für die jeweilige Schulung an.

Nachhaltigkeit

Ausweitung auf das Stadtgebiet: „Den Mehrwert, der aus dem Pilotprojekt erwachsen ist, wollen wir nicht nur an dieser einen Schule halten, sondern auf das gesamte Stadtgebiet ausweiten“, sagt Nicole Gottemeier, Leiterin des Regionalen Bildungsbüros in Bottrop. Durch die „Aufholen nach Corona“-Mittel konnte allen Grundschulen in Bottrop das Angebot gemacht werden, die iPad-Schulungen eine Woche lang anzubieten. Gestartet wurde mit den vier Schulen, die sich aktuell zum FGZ entwickeln. Die Kinderbetreuung während der Schulung wird bei Bedarf individuell von den Schulen organisiert. Einige Eltern haben auch ihre Grundschulkinder zur Schulung mitgebracht.  Die Hoffnung ist, dass das Vorhaben verstetigt werden kann und alle Grundschulen an dem Angebot langfristig teilnehmen können. „Dann würde sich vermutlich auch ein Effekt an den weiterführenden Schulen zeigen”, meint Nicole Gottemeier. Insgesamt konnten bisher knapp 220 Eltern geschult werden.

Weitere Kooperationen mit der VHS: Aus dieser ersten Kooperation zwischen FGZ und VHS an der Rheinbabenschule sind bereits weitere Kooperationen entstanden. In einem Angebot konnten die Eltern unterschiedliche Entspannungsmethoden kennenlernen. Die Nachfrage war so groß, dass ein zweiter Termin geplant ist. Zudem ist ein Sprachtraining in Kleingruppen geplant.

Auch die „Wunschthemen“ der Eltern aus der Evaluation konnten von der VHS in Kooperation mit der Bildungsinitiative RuhrFutur aufgegriffen werden. Im Frühjahr 2023 gibt es drei Online-Elternabende zu folgenden Themen: Erstes eigenes Handy, Cyber-Mobbing/Cyber-Grooming und Auswirkungen von Social-Media-Influencern auf Kinder. Auch hier sind die Bottroper FGZ mit im Boot und bieten die Online-Abende niedrigschwellig für Eltern und Interessierte im Quartier als Präsenzveranstaltung an, mit Diskussionsmöglichkeit und Austausch im Anschluss.

Hier finden Sie die Links zu den drei Elternabenden:
Das erste eigene Smartphone, 28. Februar 2023
Cyber-Mobbing/Cybergrooming, 23. März 2023
Influencer*innen – Welchen Vorbildern folgt mein Kind?, 26. April 2023

WEITERE INFORMATIONEN

Redaktion: Marisa Klasen, Wübben Stiftung Bildung
Foto: © Wübben Stiftung Bildung/Marisa Klasen
Kommune:Bottrop
Schule: Rheinbabenschule