EINBLICKE IN DIE PRAXIS

Profil FGZ-Leitung: „Ich kann anlasslos auf die Eltern zugehen und sie die Schule anders erleben lassen“

In Schulen arbeiten multiprofessionelle Teams mit vielen verschiedenen Professionen. Andrea Feirer war 15 Jahre Leitung des offenen Ganztags an der Pestalozzischule in Gladbeck und leitet dort nun seit zwei Jahren das Familiengrundschulzentrum. Im Interview berichtet sie über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Stellen, ihre Aufgaben und die Arbeit im multiprofessionellen Team.

Liebe Frau Feirer, auf der Website der Pestalozzischule steht, dass Sie die Familienschulmanagerin der Schule sind. Was heißt das? Wie würden Sie Ihre Aufgaben beschreiben?

Andrea Feirer: Dieser Begriff ist tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal in der Landschaft der Familiengrundschulzentren. Ich muss gestehen, dass ich mich anfangs damit schwergetan habe. Der Begriff lässt was anderes vermuten als das, was wir in der sozialen Arbeit leisten. Je länger ich mich aber damit befasst habe, desto klarer wurde mir: Der Begriff beschreibt genau meine Tätigkeit und das, was daran hängt – Wissensmanagement, Eventmanagement, Finanzmanagement, Ressourcenmanagement. Letztendlich sind es Leitungsaufgaben und an anderen Standorten heißen die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen eben FGZ-Leitung. Meine Aufgaben lassen sich in Verwaltungsaufgaben und pädagogische Arbeit unterscheiden.

Bei den Verwaltungsaufgaben fängt es zunächst damit an, dass ich wissen muss, wer meine Schüler und Schülerinnen und ihre Familien sind. Ein wichtiger Aspekt, um die drei Säulen Begegnung, Bildung und Beratung zu bedienen, ist die Erstellung einer Netzwerkstruktur, um die Angebote so passgenau wie möglich zu gestalten. Dazu kommt die Konzeptarbeit auf kommunaler- und Schulebene.

Die pädagogische Arbeit ist zum einen die Arbeit in den Angeboten. Zum anderen sind es die zahlreichen Gespräche, die ich mit Kindern und Eltern führe. Zudem habe ich den Vorteil, dass ich im Stadtteil wohne und viele Familien auch am Wochenende zufällig treffe. Auch aus diesen spontanen Treffen nehme ich sehr viel mit.

Welche Ausbildung/Qualifikation ist aus ihrer Sicht für die Stelle der Familienschulmanagerin bzw. FGZ-Leitung sinnvoll?

Feirer: Die pädagogische Ausbildung ist wichtig, egal in welchem Bereich, ob Erzieherin – so wie ich – Sozialarbeit oder Sozialpädagogik. Allerdings ist, wie vorhin beschrieben, auch ein Interesse an Verwaltungsaufgaben wichtig. Kommunikation und Organisation spielen eine große Rolle in meinem Job. Die Pädagogik tritt an manchen Stellen in den Hintergrund. Das muss einem klar sein und das muss man auch wollen.

Sie waren vor Ihrer Position selbst viele Jahre Leitung des Offenen Ganztags (OGS) an der Pestalozzischule. Was sind aus Ihrer Sicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede von OGS- und FGZ-Position?

Feirer: Innerhalb meines Rahmendienstplans bin ich als Familienschulmanagerin aufgrund der Angebotsstruktur etwas flexibler als in der Funktion OGS-Leitung. Das ist ein großer Vorteil, weil ich im Gegensatz zur OGS-Stelle für beide Standorte der Pestalozzischule zuständig bin. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler liegt im kommenden Schuljahr bei 460 mit den dazugehörigen Familien. Das ist eine spezielle Herausforderung und es ist einfach wichtig dabei, etwas Flexibilität in der Gestaltung zu haben, da zum Konzept gehört, dass Angebote auch nach 16 Uhr und am Wochenende stattfinden.

Die pädagogische Arbeit mit den Kindern nimmt als Familienschulmanagerin einen kleineren Raum ein als in meiner vorherigen Position als OGS-Leitung. In beiden Positionen gibt es einen klaren Erziehungs- und Bildungsauftrag, der sich aber anders gestalten lässt. Als Familienschulmanagerin bin ich, was die pädagogische Arbeit betrifft, unkomplizierter innerhalb der Schule unterwegs. Ich gehe spontan mit in den Unterricht, ich setze mich zum Mittagessen dazu, besuche die Kinder im Ganztag, kann anlasslose Gespräche führen, Stimmungen einfangen und mitbekommen, was gerade los ist bei Kindern und Eltern.

Zudem unterscheiden sich die Ebenen von Verantwortung. Das Familienzentrum an zwei Standorten zu leiten, ist ein viel größerer Verantwortungsbereich. Es ist aber dennoch gefühlt weniger direkte Verantwortung als in der Funktion OGS-Leitung. Ich muss z.B. nicht morgens spontan umplanen, weil Mitarbeitende krank sind und ersetzt werden müssen. Ich habe bisher keine Personalverantwortung.

Gemeinsam haben die Stellen natürlich, dass im Zentrum all unseren Handelns das Kind steht. Bei beiden Aufgaben geht es darum, das Bestmögliche für das Kind zu erreichen, mit den Eltern gemeinsam. Die Elternarbeit wiederum unterscheidet sich als Familienschulmanagerin. Ich kann sie als Familienschulmanagerin positiver gestalten. Ich muss Eltern nicht um ein Konfliktgespräch bitten, sie auf Unangenehmes ansprechen oder mitteilen, dass ich leider keinen Platz für ihr Kind habe. Ich kann anlasslos auf sie zugehen, Gespräche mit ihnen führen, Bedarfe ermitteln und somit in die entsprechenden Beratungs- oder anderen Angebote vermitteln.

„Gemeinsam haben die Stellen natürlich, dass im Zentrum all unseren Handelns das Kind steht. Bei beiden Aufgaben geht es darum, das Bestmögliche für das Kind zu erreichen, mit den Eltern gemeinsam. Die Elternarbeit wiederum unterscheidet sich als Familienschulmanagerin. Ich kann sie als Familienschulmanagerin positiver gestalten."

Ihre Schule hat zwei Standorte. Was bedeutet das für Sie als Familienschulmanagerin?

Die zwei Standorte sind zwei Welten, die aber als eine betrachtet werden. Der eine Stadtteil ist sehr klein mit nicht mal 3.000 Einwohnern und Einwohnerinnen und der andere hat circa 11.000 und eine ganz andere Klientel. Ich versuche dennoch immer, die Angebote für alle vorzuhalten. Es findet also mal ein Angebot an dem einen Standort statt und mal an dem anderen. Aber alle Angebote stehen in der Regel allen Eltern und/oder Kindern offen. Mein Büro habe ich am Hauptstandort. An dem anderen Standort haben wir einen Raum für die Familienschule, der für das Familiencafé und sonstige Aktivitäten und Veranstaltungen genutzt werden kann. Das heißt, wie viele andere Kollegen und Kolleginnen auch, pendele ich zwischen beiden Standorten. Das ist jedoch aufgrund der geringen Entfernung kein Problem.

Wenn sich eine Schule zum Familiengrundschulzentrum entwickelt, leben im Optimalfall alle (Kollegium, Mitarbeitende in der OGS und Schulsozialarbeit, Sekretariat, Eltern, Kinder usw.) die Idee des Familienzentrums. Was bedeutet das für die Arbeit im multiprofessionellen Team?

Das ist eine spannende Frage und eine der Hauptherausforderungen auf dem Weg zur Familienschule. Wir sind immer noch auf dem Weg, es ist ein Entwicklungsprozess. Die Haltung zu entwickeln „Wir sind eine Familienschule“ bedarf vieler kleiner Schritte. Es gilt, Strukturen aufzubrechen, Perspektivwechsel einzunehmen und einfach immer wieder wertschätzend zu versuchen, jeden und jede mitzunehmen mit all seinen und ihren Bedenken. Dabei bin ich im engen Austausch mit der Schulleitung. Im Laufe des letzten Jahres habe ich z.B. Workshops zum Thema Familienschule angeboten. Die habe ich in den jeweiligen OGS-Teams gemacht und einmal im großen Multiteam. Es sind sehr viele gute Ideen entstanden, von denen wir schon einige umsetzen konnten. Wir sind auf einem guten Weg. Grundsätzlich ist es wichtig in jede Richtung miteinander im Gespräch zu bleiben, um sich als Familiengrundschulzentrum als Knotenpunkt im Stadtteil zu etablieren.

WEITERE INFORMATIONEN

Interview: Marisa Klasen und Daniela Zentner, Wübben Stiftung Bildung
Foto: © Andrea Feirer
Kommune: Gladbeck
Schule: Pestalozzischule