EINBLICKE IN DIE PRAXIS

Praxistipp: Mentoringprogramm „Balu & Du“ an einem Familien­grund­schulzentrum

Kinder wachsen durch Vorbilder. Das ist die Grundidee hinter sogenannten Mentoring- und Patenschaftsprojekten. Dabei findet sich eine große Vielfalt an Ausgestaltungsmöglichkeiten solcher Projekte beispielsweise hinsichtlich der Wahl der Mentorinnen und Mentoren. „Rock your Life“ setzt beispiels­weise Studierende als Mentorinnen und Mentoren für Schülerinnen und Schüler aus Haupt- und Gesamtschulen ein. Eine aktuelle Studie des ifo-Instituts belegt die Wirksamkeit dieses Ansatzes. Das Familien­grund­schul­zentrum an der Gemeinschaftsgrundschule Erich Kästner in Mönchengladbach hat sich für eine Kooperation mit dem Mentoringprogramm „Balu & Du“ entschieden. Wir haben uns angeschaut, wie man ein solche Kooperation implementiert und welche Rolle das Familien­grund­schulzentrum dabei spielt.

Ansatz und Wirkung:

„Balu & Du“ ist ein bundesweites Mentoring­programm und fördert Grund­schul­kinder (Moglis) im außer­schulischen Bereich. Schülerinnen und Schüler der weiter­führenden Schule ab 17 Jahren (Balus) übernehmen mindestens ein Jahr lang eine Patenschaft für ein Kind der Grund­schule und absolvieren damit ein soziales Training. Die Balus verbringen wöchentlich ein bis drei Stunden an einem festen Nachmittag mit ihrem Mogli. Für die Balus ist das Programm ein fester Bestandteil des Curriculums der weiter­führenden Schule und sie erhalten dafür eine Note. Der jährliche Wirkungs­bericht von „Balu & Du“ zeigt, dass die Moglis in einem weit gefächerten Spektrum profitieren. Fortschritte können bei Unterrichts­beteiligung, Konzentration, Lebens­zufriedenheit, Prosozialität und bei vielen weiteren Aspekten beobachtet werden. Seit 2002 sind mehr als 7.000 Paten­schaften entstanden.

Struktur und Aufgaben:

Bei der Umsetzung von „Balu & Du“ sind an der Grundschule verschiedene Akteure beteiligt. Das Projekt setzt das Familien­grund­schul­zentrum gemeinsam mit dem Träger aus Köln „Balu und Du e. V.“ um.

Träger: Dieser Träger hat die Verantwortung inne. Er ist zentraler Ansprechpartner und kommuniziert zwischen den Akteuren. Er ist für die übergeordnete Organisation zuständig, stellt beispielsweise das Projekt in der Lehrerkonferenz vor, unterstützt und coacht die Lehrkräfte der Oberstufe und stellt alle notwenigen Formulare zur Verfügung.

Weiterführende Schulen: Die Kursleitung der weiterführenden Schulen übernimmt die Akquise und Begleitung der Balus und ist Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner bei Problemen dieser.

FGZ: Das FGZ wiederum schaut in Kooperation mit den Lehr­kräften, der kommunalen Schul­sozialarbeit, HOME und weiteren Partnern, welche Grund­schulkinder am meisten von dem Projekt profitieren würden. Lehrkräfte können Vorschläge für Moglis machen. Das Programm wird auch auf der Homepage der Schule veröffentlicht, so dass sich Familien auch eigenständig melden können. Die Elterngespräche und die Klärung der Formalitäten werden sowohl von der kommunalen Schulsozialarbeit, von der zuständigen HOME-Fachkraft und dem FGZ durchgeführt. Diese Akteure nehme dann gemeinsam mit der Kursleitung der weiterführenden Schule das Matching vor. Es wird dabei auf Hobbies und Interessen, Sprache, Geschlecht und weitere Kriterien geachtet.

Das FGZ übernimmt im Prozess eine wichtige Kommunikationsrolle mit Blick auf Eltern, Lehrerinnen und Lehrer. Das FGZ versucht Transparenz herzustellen, Sorgen und Vorbehalte ernst zu nehmen und diese in Gesprächen auszuräumen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im FGZ unterstützen die Tandems, den Sozialraum besser kennen­zulernen, schöne Ausflugsziele im Stadtteil zu finden. Das FGZ fungiert hier als Lotse, denn die weiter­führende Schule kann durchaus in einem anderen Stadtteil liegen und die Balus kennen sich im Stadtteil der Grundschule nicht aus. Das FGZ organisiert das erste gemeinsame Treffen aller Tandems und das Abschlusstreffen. Es unterstützt aber auch die Balus bei Gesprächs­bedarf, um auch Lebenswelten näher zu bringen.

Schritte der Implementierung:

1.

Möchte ein FGZ eine Kooperation mit „Balu & Du“ beginnen, ist der erste Schritt zu schauen, ob es schon einen „Balu & Du“-Standort in der Nähe gibt. Die Liste der ca. 120 Standorte ist auf der Homepage von „Balu & Du“ zu finden. Ist ein Standort vorhanden, können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FGZ dort melden und eine mögliche Kooperation kann besprochen werden. Ist kein Standort in der Nähe vorhanden, versucht der Verein „Balu & Du“ eine Lösung zu finden.

2.

Das FGZ schaut gemeinsam mit Schulleitung, Lehrkräften und weiteren Akteuren (s.o.), welche Grundschulkinder (Moglis) am meisten von dem Projekt profitieren würden. Anschließend gehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FGZ auf die Eltern zu und versuchen sie, für das Projekt zu gewinnen.

3.

Wenn die Moglis feststehen, unterstützt der Träger in Kooperation mit der kooperierenden Grundschule passende Balus. Es gibt ein Kennenlerntreffen zwischen Eltern, Balu und Mogli bei dem die Eltern einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie genau angeben können, was ihr Kind darf, was nicht, worauf zu achten ist und was sich die Eltern wünschen.

4.

Ist der Kooperationsvertrag geschlossen und liegen die Einverständniserklärungen der Eltern der Moglis vor, kann das wöchentliche Treffen zwischen Balu und Mogli stattfinden. Balu holt Mogli wöchentlich immer am gleichen Nachmittag von der Schule ab und die beiden unternehmen etwas gemeinsam. Mogli ist während der Treffen mit seinem Balu über den Verein „Balu & Du“ unfall- und haftpflichtversichert. Die Balus müssen zudem ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen und durchlaufen eine Schulung zum Kindesschutz.

Herausforderungen und Lösungen
Die größte Herausforderung im Projekt in Mönchengladbach war es, die Eltern von dem Projekt zu überzeugen. Die Eltern waren anfangs sehr skeptisch und zurückhaltend und hatten große Sorgen, ihre Grundschulkinder mit älteren Schülerinnen und Schülern losziehen zu lassen. Zudem war die Zielsetzung des Angebots anfangs nicht klar verständlich. Die Eltern waren davon ausgegangen, dass sie für ihre Kinder eine Art Nachhilfe für den Unterricht bekommen und konnten auf den ersten Blick nicht den Mehrwert der Begegnung und des Austausches mit einem Jugendlichen sehen. Die Vertretungsleitung des FGZ an der Gemeinschaftsgrundschule Erich Kästner, Claudia Kirsch, hat einen sehr guten Draht zu den Eltern und konnte ihnen die Sorgen nehmen. Dafür waren aber zahlreiche Gespräche notwendig, auch mit der kommunalen Schulsozialarbeit. „Die persönliche Beziehung ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Claudia Kirsch. Auch die Abbruchquote war anfangs hoch. Hier kam es auf eine gute Nachrückerliste an, um die freigewordenen Plätze wieder zu vergeben.

„Die Kinder haben im Programm die Chance, über ihre Herkunft hinaus­zuwachsen und gute Entwicklungs­möglichkeiten zu bekommen. Leistung steht nicht im Vorder­grund, sondern es geht um Freizeit, außer­schulisches Lernen und darum, eine feste Bezugs­person zu haben, die das Kind wahrnimmt.“

Claudia Kirsch

Aufwand

Für das Programm fallen keine Kosten an. Die Implementierung des Programms war allerdings sehr zeitaufwendig. Die Vorbereitung nahm täglich rund drei Stunden in Anspruch, bis die Gruppe vollständig war. Inzwischen hat sich der Aufwand reduziert und beläuft sich auf monatlich drei Stunden. Hier steht der Austausch mit allen beteiligten Akteuren im Vordergrund.

Resonanz

16 Tandems haben sich gefunden und davon werden 14 weiterlaufen (zwei Balus haben die Schule verlassen). Die Kinder haben der FGZ-Leitung stolz von den großen Freundinnen und Freunden berichtet und sich auf die Treffen gefreut. Sie haben erzählt, was sie gemeinsam erlebt und kennengelernt haben. Auch die Eltern haben gesehen, dass ihre Kinder mit einem Lachen nach Hause kommen. Die nächste Runde im Schuljahr 2021/2022 ist bereits in Planung. Es stehen bereits 22 Balus fest, also mehr als im vergangenen Jahr. Das sieht Claudia Kirsch als Signal, dass auch die Oberstufenschülerinnen und -schüler positiv über ihre Erfahrung sprechen.

WEITERE INFORMATIONEN

Kommune: Mönchengladbach
Familiengrundschulzentrum: Gemeinschaftsgrundschule Erich Kästner
Ansprechpartnerin: Claudia Kirsch
Foto: Balu und Du e.V. / © Jan Voth

Weitere Informationen:
https://www.balu-und-du.de/mitmachen/als-mogli/info-fuer-grundschulen
http://www.erich-kästnerschule.de