EINBLICKE IN DIE PRAXIS

„Wir sind keine Einzelkämpferinnen, sondern ein großes Wir“

In Mönchengladbach gibt es inzwischen fünf Familiengrundschulzentren zum Schuljahr 2021/22. Wir haben mit vieren von ihnen gesprochen: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es? An welchen Stellen wird zusammengearbeitet, an welchen nicht? Wie tauschen sie sich aus?

Was macht Ihr jeweiliges Familiengrundschulzentrum aus?

Claudia Kirsch: Jede Schule ist anders und so auch das jeweilige FGZ. Ich empfinde das FGZ an der Pahlkestraße als große Schulgemeinschaft, die zusammengewachsen ist und wo alle Akteure auf Augenhöhe sind. Wir arbeiten mit den Eltern in multiprofessionellen Teams eng zusammen. Wir sind ein recht neues FGZ und erst im August 2020 mit dem Elterncafé gestartet. Nach nur sechs Wochen lief es bereits und wurde gut besucht. Leider mussten wir den Betrieb im November 2020 im Zuge der Corona-Pandemie vorerst schließen.

Barbara Noebels: Wir liegen mit unserem Familiengrundschulzentrum (FGZ) an der Katholischen Grundschule Nordstraße ganz nah an der Evangelischen Grundschule Pahlkestraße, dem FGZ von Claudia Kirsch, und teilen uns die Räumlichkeiten, etwa die Turnhalle. Wir haben derzeit Engpässe und müssen aufgrund von Renovierungen sehr platzsparend arbeiten. Mit einer gewissen Offenheit ist allerdings vieles möglich. Wir sind auf den Stadtteil angewiesen und nutzen den zusätzlichen Raum des FGZ gemeinsam. Ein Deutsch- sowie ein Erziehungskurs sollten direkt starten, was dann aber wegen der hohen Inzidenzwerte nicht ging. Wir haben die interessierten Eltern persönlich vor der Tür zum Elterncafé eingeladen – das war ganz wichtig und tatsächlich sind alle Eltern erschienen.

Nadine Bourke: Wir sind am FGZ an der Gemeinschaftsgrundschule Eicken ein ganz junges Kollegium mit großem Potential. Es gibt eine tolle Schulgemeinschaft, jedoch erschwert die Pandemie einiges. Kurse und Treffen in der Schule waren unter anderem nicht möglich. So haben wir beispielsweise unser Elterncafé im Onlineformat ausprobiert, bei dem die Resonanz nicht sonderlich groß war. Vielleicht war die Schwelle für einen Onlinekurs zu hoch, jedoch wollten wir Eltern auch in dieser schweren Zeit Kontaktmöglichkeiten bieten. Bei uns ist es besonders wichtig, Eltern und Kinder in die Angebotsgestaltung einzubeziehen. Wir arbeiten etwa mit der Fachhochschule Niederrhein, mit dem dortigen Fachbereich Sozialwesen, zusammen und fragen ab, was sich die Eltern zu den Themen „Bildung und Teilhabe“ und „neue Medien“ wünschen beziehungsweise an Informationen benötigen. Wir möchten beispielsweise herausfinden, ob sie Medien nutzen, Endgeräte besitzen oder Angebote auf Arabisch oder Türkisch benötigen. Wünsche ich mir als Elternteil etwa eine Unterstützung, wie ich eine App auf meinem Handy installiere, damit ich ein guter Bildungsbegleiter für mein Kind sein kann? Wie schaffe ich es, Dokumente hoch- bzw. runterzuladen? Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass diese Erkenntnisse direkt in die spätere Praxis einfließen können.

„Wir sind am FGZ an der Gemeinschaftsgrundschule Eicken ein ganz junges Kollegium mit großem Potential. Es gibt eine tolle Schulgemeinschaft, jedoch erschwert die Pandemie einiges.“

Svetlana Hardy: Ich arbeite an der Gemeinschaftsgrundschule Carl Sonnenschein im Elternprojekt PAENZ des Jugendamtes. Hier wird das FGZ im Schuljahr 2021/22 aufgebaut. Geplant sind etwa Kurse für Analphabetinnen und Analphabeten.

Was sind die jeweiligen Besonderheiten mit Blick auf Schule, Familien und Stadtteil?

Bourke: Wir liegen auf der Stadtteil-Grenze zwischen Gladbach und Eicken. Historisch betrachtet fühlt sich die Gemeinschaftsgrundschule Eicken dem Stadtteil Eicken zugehörig. Mit dem FGZ möchten wir fördern, dass sich die Schule in Richtung Gladbach öffnet, um ihr Netzwerk und Ressourcen wie Räume und Angebote wie zum Beispiel einen Deutschkurs zu erweitern.

Hardy: Bei uns sprechen viele Eltern kein Deutsch und in unserem Viertel in Bahnhofsnähe gibt es günstigere Wohnungen. Deshalb starten viele Familien hier und ziehen dann weiter, sobald sie eine Orientierung haben. Wir machen die Erfahrung, dass die Familien es ganz genau spüren, wenn sie Hilfe bekommen, weil sich dann ein sehr guter Kontakt entwickelt und die Dankbarkeit groß ist.

Noebels: Unsere Schule ist klein, aber überall im Stadtteil verwurzelt. Die Vernetzung soll Energie und Ressourcen schaffen. Wir haben beispielsweise keine eigenen Räume für die kommunale Schulsozialarbeit, was ein echtes Problem darstellt. Eng arbeiten wir mit HOME zusammen, einem verstetigten Angebot zur Arbeit mit den Eltern.

Kirsch: Unsere Schule ist seit Jahren fester Bestandteil des Viertels. Bereits seit 2004 gibt es ein Elterncafé im Familiengrundschulzentrum Waisenhausstraße. Ein Deutschkurs und das Projekt „Rucksack Schule“ gehören dort schon seit 2016 zum regelmäßigen Angebot, initiiert durch das ehemalige Projekt HOME-Plus – Bildungsförderung an Grundschulen. Jetzt wurde HOME als langjähriger Partner der Schule verstetigt.

Welche Art von Austausch gibt es zwischen den vier Familiengrundschulzentren?

Bourke: Ich nehme den Austausch als gut und regelmäßig war. Alle zwei Wochen treffen wir uns gemeinsam im Team mit den anderen FGZ-Leitungen und unserer kommunalen Leitung Annika Ahrens. Wir beraten uns gegenseitig, ähnlich einer Supervision. Wir sind keine Einzelkämpferinnen, sondern ein großes Wir.

Noebels: Ich arbeite noch nicht lange im Stadtteil Rheydt, deshalb empfinde ich den Austausch mit Claudia Kirsch vom FGZ an der Evangelischen Grundschule Pahlkestraße als besonders wertvoll. So können wir verhindern, dass wir uns überfordern und organisieren manche Treffen direkt gemeinsam. Wir können auf ein Repertoire an Möglichkeiten zurückgreifen und dieses dann auf die jeweilige Schule herunterbrechen. Ich spreche einmal pro Woche mit meinem Schulleiter und dann alle zwei Wochen über die Teamsitzungen mit den anderen FGZ-Leitungen. Das ist ideal! Mein Schulleiter zeigt sich zudem sehr offen für lösungsorientierte Angebote. Ich bin beispielsweise immer der erste Tagesordnungspunkt in unserer Lehrerkonferenz. Als etwa die Produktion eines Imagefilms für Schulneulinge anstand, konnten wir uns schnell abstimmen und alle Aufgaben verteilen. Wir kommen schnell ins Tun.

„Wir beraten uns gegenseitig, ähnlich einer Supervision. Wir sind keine Einzelkämpferinnen, sondern ein großes Wir.“

An welchen Stellen arbeiten Sie zusammen und an welchen bewusst vielleicht auch nicht?

Kirsch: Innerhalb der beiden Zentren gibt es natürlich andere Blickweisen und Entwicklungsschritte. Die Sommerschule hat beispielsweise zwei verschiedene Kooperationspartner. Und wenn die Schule bei einer öffentlichen Ausschreibung teilnimmt, dann macht sie das alleine. Und dann gibt es Programmen wie „Open Sunday“ von denen alle Kinder im Sozialraum profitieren.

Noebels: Jedes Zentrum hat auch eigene Themen und Bedarfe. Deshalb arbeiten wir mal zusammen und ein anderes Mal vielleicht auch nicht.

Hat sich in der Pandemie daran etwas verändert?

Bourke: Es gibt durch die Pandemie nur eingeschränkte Austauschstrukturen und innerschulischen Treffen zwischen der kommunalen Schulsozialarbeit, der OGS und der Schulleitung. Der Austausch im Lehrerzimmer findet nicht mehr statt, sondern alles läuft nur noch via Zoom. Da geht doch einiges verloren! Die Eltern können nicht mehr einfach so reinkommen, Probleme bleiben vor der Türe. Kommunikation ist einfach schwieriger geworden. Die Treffen unter den FGZ-Leitenden finden jedoch alle zwei Wochen mit Abstand statt. Die Schulleitungen sehen während der Corona-Pandemie die Familiengrundschulzentren als „Kirsche auf der Sahnehaube“, Abstimmung und Austausch fallen da schon mal herunter.

Noebels: Die Pandemie hat den Blick auf die Kinder verändert. Wir brauchen einfach mehr Hilfe für die Kinder, um Defizite abzubauen. Eigentlich haben wir sie natürlich im Blick, aber der Fokus hat sich aktuell verschoben. Wir stecken in einem Transformationsprozess.

Hardy: Es ist aktuell sehr schwierig, die Familien zu mobilisieren, Angebote wahrzunehmen.

Hinweis zum Text: Die Leitung der Familiengrundschulzentren des Jugendamtes wird in Mönchengladbach mit „Koordination Familiengrundschulzentren“ betitelt. Zur Differenzierung sprechen wir im Text von Leitung Familiengrundschulzentren (FGZ-Leitung).